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Werner Wiedersich


... „Professor Strafecke“, wie Wiedersich in Nationalmannschaftskreisen wegen seiner höchst wissenschaftlichen Herangehensweise an das Thema genannt wird, hat schon Tausende von Stunden mit der Entwicklung der Strafeckenausführung beschäftigt. Schon 1998 hat Sachsens Auswahltrainer, der auch häufig als Video-Analyst die Herren- und Damen- Nationalmannschaft begleitet, gemeinsam mit und für den deutschen Rekord- Torschützen Björn Michel die Schlenz-Ecke entwickelt. Diese Schlagtechnik, die genau genommen eine Mischung aus dem herkömmlichen Schlenzball und einem Schleuderball ist, hat Wiedersich haarklein analysiert, vermessen und immer und immer wieder versucht zu optimieren.

Das Institut für angewandete Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig war dem „Eckentüftler“ dabei ein guter Partner. Hier wurden biomechanische Untersuchungen durchgeführt, um den Bewegungsablauf genauestens aufzuschlüsseln. „Jeder einzelne Ablaufparameter kann das Ergebnis beeinflussen“, so Wiedersich. Gemeinsam mit den Ärzten und Athletiktrainern der Nationalteams arbeitete der 13-malige DDRNationalspieler auch an Entlastungsplänen für die Strafeckenschützen. „Bei rund 500 Strafecken, die ein Spezialist optimaler Weise pro Woche im Training schießen sollte, ist das sonst eine zu einseitige Belastung“, erklärt der Familienvater, dessen Töchter Heidi und Uschi ebenfalls schon international gespielt haben.

Im aktuellen Nationalteam hat Wiedersich mit Christopher Zeller ein exzellentes Talent ausgemacht. Der junge Münchner ist jetzt schon einer der gefürchtetsten „Executer“ im internationalen Hockey-Geschehen. Dennoch sieht der Fachmann aus Sachsen die Vormachtstellung der Deutschen bei Strafecke gefährdet. „Die anderen Nationen waren immer so etwas wie unsere Lehrlinge, aber sie haben uns inzwischen durch fleißige Arbeit eingeholt. Wir müssen möglichst schon bei den Junioren anfangen, um nachher bei den Herren gute Schützen zu haben.“

Werner Wiedersich hat über die Jahre das System, mit dem er die Schützen schult, stetig verfeinert. Was am Anfang noch mit einer hereingerufenen Ansage der Schussrichtung und später mit der Laseranzeige funktionierte, wird heute durch eine von ihm entwickelte „Schuss-Plane“ gesteuert. Die Plane hängt im Tor und durch Farben, die der Trainer im Moment der Eckenausführung in den vorgesehenen Zielbereichen, die sich in den vier Tor-Ecken befinden, hochzieht. „Die höchste Perfektion ist, wenn der Schütze in der Lage ist, noch bei der Ausführung die Bewegung der Abwehr und des Torwartes zu ‚lesen’ und die Richtung seines Schlenzers davon abhängig zu machen“, sagt Wiedersich. Mit einer so genannten Blickkamera hat der Trainer den deutschen Spielern deutlich gemacht, dass sie lange Zeit nicht dem Ball voraus, sondern nur hinterhergeguckt haben.

Es geht dabei um Sekunden-Bruchteile. 0,7 bis 0,8 Sekunden benötigt der Ecken- Herausgeber, um die Kugel an den Strafraumrand zum Stopper zu befördern. Nach 1,2 bis 1,4 Sekunden sollte die Kugel dann bereits den Schläger des Schützen wieder Richtung Tor verlassen. Nur dann haben gute Abwehrspieler, die den Weg aus dem Tor zum Kreisrand in 1,8 bis 1,9 Sekunden zurücklegen, wenig Chance, die Ausführung zu behindern. Werner Wiedersich hat dabei auch die anderen Beteiligten am Gesamtkomplex Strafecke im Auge. Und sogar die Torhüter profitieren von den intensiven Trainingseinheiten. „Die deutschen Keeper gehören auch wegen dieser Strafeckentrainings zu den besten der Welt“, meint der Ecken-Professor.

DHB-Pressemitteilung vom 16.8.2005 (dha)